Fabian /

Aufgedeckt: Plaketten-Industrie steckt hinter Diesel-Skandal!

Mainz (mp). Unvorhergesehene Wende im Diesel-Skandal: in einer investigativen, in den letzten Jahren streng geheimgehaltenen Rechercheaktion gelang es Merkurpisst.de, bislang vollkommen unbekannte Hintergründe der Dieselaffäre aufzudecken. In zentraler Rolle dabei: die Plakettenindustrie!

Sind am Ende die Betrüger die Betrogenen? Haben die deutschen Automobilbauer die sogenannte Schummel-Software nicht aus Eigennutz oder zur Gewinnmaximierung eingebaut, sondern wurden von einer weitaus größeren Macht dazu genötigt? Vieles muss wohl neugeschrieben werden in der Chronik der deutschen Dieselaffäre – doch der Reihe nach.

Gedächtnisprotokolle aus äußerst glaubhaften Quellen sprechen eine eindeutige Sprache. Es begann mit mehreren Treffen der sogenannten „Kohlrabi-Connection“ bei gutbürgerlichem Essen, nicht weit von der Zentrale des Kraftfahrt-Bundesamtes in Flensburg. Dabei: die großen fünf der deutschen Plaketten-, Schilder- und Stempelindustrie. Unter anderem der Quasi-Monopolist „Alles Plaketti GmbH“ und die Bundesdruckerei entsandten ihre besten Lobbyisten, um mit Vertretern aus Politik und Automobilindustrie Strategien zur Sicherung der eigenen Zukunft zu entwickeln. Doch was war ihr Antrieb?

Nachdem sie durch eigene Misswirtschaft in finanzielle Not geraten war, rettete sich die Plakettenindustrie im Jahr 2007 – selbstverständlich schon damals durch geschickten Lobbyismus – durch die ersten Feinstaubplaketten ihre Existenz. Das Geschäft florierte.

„Wir hatten es gut – und unsere Produkte wurden vor allem richtig angenommen, obwohl eigentlich kein Mensch sie brauchte!“, freut sich Otto Ohlmeyer, Vorstandsvorsitzender von „Alles Plaketti“, noch heute. „Unsere Feinstaubplaketten in den drei abwechslungsreichen Dessins Rot, Gelb und Grün (in Fachkreisen besser bekannt unter den Handelsbezeichnungen ‚Schadstoffgruppe 2‘, ‚Schadstoffgruppe 3‘ und ‚Schadstoffgruppe 4‘) waren der Renner an deutschen Windschutzscheiben!“, betont der agile Mittfünfziger.

Im Jahr 2010 dann bröckelte das Geschäft erneut. Durch die Abschaffung der AU-Plakette auf deutschen Nummernschildern waren erste Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Die Aktionäre begannen langsam aber sicher, auf die Barrikaden zu gehen.

Mitte der 2010er-Jahre dann die große Ernüchterung: die Fertigungsstraßen für die roten und gelben Plaketten waren kaum mehr ausgelastet, die Kunden hatten sich auf die grünen Plaketten eingeschossen, die anderen wurden einfach nicht mehr nachgefragt. Große Verluste für das mittelständische Unternehmen, Gewinnwarnungen mussten herausgegeben, die Umsatzprognosen deutlich nach unten korrigiert werden. Ohlmeyers Familie sah ihre Existenz bedroht.

„Unsere Feinstaubplaketten in den drei abwechslungsreichen Dessins Rot, Gelb und Grün waren der Renner an deutschen Windschutzscheiben!“
Otto Ohlmeyer, CEO „Alles Plaketti AG“

Was dann begann, war ein kongenialer Streich, auf den Ohlmeyer laut eigener Angabe sein eigener Sohn brachte. „Stefan sitzt den ganzen Tag im Keller am Rechner“, so der stolze Papa, „er ist ein richtiger Computer-Freak. Ich glaube, er bezeichnet sich selbst als Hecker oder sowas“.

Das Machtgeflecht der „Kohlrabi-Connection“ hatte nun den Rest zu erledigen, um dem geplanten Skandal so richtig ins Rollen zu bringen. Über Details schweigen sich hier selbst die sonst redseligsten Manager aus – schmutzig, sehr schmutzig soll der Deal gewesen sein. Das Wort „Schummelsoftware“ nimmt keiner von ihnen jemals in den Mund.

Am Ende der gesamten Aktion stand nur ein Ziel: mehr Plaketten – mehr Umsatz! Die brachliegenden Fertigungsanlagen sollten wieder zum Glühen gebracht werden. Die deutschen Autofahrer, so der Plan, würden sich nach den frischen Varianten „Hellblau“ und „Dunkelblau“ nur so die Finger lecken.

Wir fragen uns: ist nicht das der wirkliche Skandal? Vertrauensbrüche auf allen Seiten, in der Politik, in der Industrie, Gefährdung der Umwelt, ja, Gefährdung der Gesundheit – und all dies, um einen einzelnen Industriezweig zu retten, um Arbeitsplätze in einer Branche zu sichern, die sich in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig auf zukunftssichere Alternativtechnologien (Papierlose Plakette, Erneuerbare Etiketten, Solarplaketten mit Elektroantrieb) konzentrierte?

Die Politik wiegelt indes ab, Vertreter des Kraftfahrtbundesamtes wollen von den Vorgängen nichts gewusst haben. Verunsicherten Verbrauchern empfiehlt das Amt, im Zweifel auf umweltfreundlichere Alternativen wie den ÖPNV oder Flugtaxis (nur mit Euro-6-Motoren) umzusteigen.

Ohlmeyer seinerseits hat auf die Frage, wie z.B. gewisse Kraftfahrzeuge („Diesel“ mit „Partikelfilter“), die rechtmäßig der Schadstoffgruppe 4 zuzuordnen sind und die daher eine grüne Plakette erhalten, von solchen mit sogenanntem „Otto“-Motor zu unterscheiden sein sollen, wer also nun eine blaue Plakette bekomme oder brauche und wie die Plakettenpflicht überhaupt kontrolliert werden will, keine Antwort. „Fakten, Studienergebnisse oder gar der gesunde Menschenverstand sind für uns nicht ausschlaggebend, solange wir unsere Plaketten wie gehabt an den Mann bzw. die Frau, oder besser gesagt an die Windschutzscheibe,“ (er lacht kurz, aber laut über seinen eigenen Witz) „bringen können!“.

Die nächsten Monate werden zeigen, ob der ganze Plaketten-Plan aufgeht. Die Automobilindustrie hat ihren Beitrag dazu jedenfalls erledigt – abzuwarten bleibt, ob die Politik nun wie vereinbart nachzieht und den Weg für neue Plaketten frei macht.

Wir bleiben dran!