Fabian /

Satire-Kopie von Merkurpisst aufgetaucht – „Merkurist.de“ irritiert Mainzer Leser

Zugegeben: Lokaljournalismus spaltet, polarisiert. Für Journalisten stets eine Relevanzgratwanderung, muss man doch davon ausgehen, dass der Informationsgehalt für all jene Konsumenten, die nicht zum eingeweihten Kreis der ansässigen Leser gehören, bedeutungslos bis zum Gehtnichtmehr ist. Und auch wir nehmen uns da nicht aus. Die meisten unserer Artikel sind für die meisten Leser nur Makulatur. Doch was wir heute im Internet entdeckten, ließ unseren Atem stocken!

In unserer morgendlichen, achtstündigen Redaktionskonferenz, die – so munkelt man – den Kaffeekonsum der Landeshauptstadt maßgeblich beeinflusst, sprang Merkurpisst-Redakteurin Teresa plötzlich auf und stieß einen spitzen Schrei aus.

„Hey, kommt mal alle her!“ – keiner lässt sich das zweimal sagen, das ganze Team versammelt sich um Teresas neuen kleinen USB-Ventilator, der bei den aktuellen Temperaturen willkommenes Kühl-Gadget ist und an dem sie sich gerade ihren kleinen Finger recht unschön verletzt hat. „Nein, hier, auf dem Bildschirm!“ – die Blicke wandern auf Teresas blutüberströmtes Browserfenster, und da wird uns wirklich anders: eine Seite sehen wir hier, von Merkurpisst auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden.

Zum Verwechseln ähnlich!

Zuerst wäre uns gar nicht aufgefallen, dass unsere fleißige Redakteurin, die sich gerade mit ein paar geübten Handgriffen die Hand amputiert, um dem Elend ein Ende zu bereiten (sie ist so etwas wie eine Medizinerin, wir machen uns keine Sorgen), nicht, wie eigentlich streng und peinlich vorgeschrieben, als Startseite https://www.merkurpisst.de/mainz eingestellt hat, sondern – mit 9 Fingern tippt es sich eben schlecht! – http://www.merkurist.de/mainz.

Redaktionsmitglied Christopher – gerade erst vom ersten Schock (kann kein Blut sehen!) erholt – traut seinen Augen nicht. Sebastian und Miriam unterbrechen ihr traditionelles, inspirierendes Prä-Redaktionskonferenz-Netflix-Bingewatching vorzeitig und ihre Low-Carb-Diät vor Schreck ganz ab, die gesamte Redaktion ist in Aufruhr:

Zum Verwechseln ähnlich zeigt sich die Seite, die, wir können es uns gar nicht anders vorstellen, als Scherz, als Satire auf fundierte Lokalnachrichten gedacht sein muss.

Aber sie gefällt uns!

Braucht die Gaustraße einen Club?“ wird da gefragt, woher die Punkte auf Straßenschildern kommen, wo es die hässlichsten Ecken in Mainz gibt und ob die Türme an der Eisenbahnbrücke im Mainzer Süden bewohnt sind. Unser Favorit bis dahin und definitiv der Artikel, in dem wir am meisten gelernt haben: ein umfangreicher und augenöffnender Essay über das Neustadt-Pot (Spoiler: Neustadt-Apotheke!). Wir, alles zugezogene Erstsemester-Studenten, haben das Schild in seiner Originalaufschrift noch niemals gesehen – und selbst als wir es jetzt erfuhren, mussten wir unsere gesamte Fantasie zusammennehmen, um die fehlenden Buchstaben vor unserem geistigen Auge an die richtigen Stellen zu bugsieren.

Darauf erst einmal eine doppelte Craft-Fassbrause!
Hannah, 34, Merkurpisst.de-Redakteurin

Mit wachsendem Interesse klicken wir uns durch die Artikel, bei denen sehr oft ein mysteriöser Herr „Mann“ eine tragende Rolle spielt, ein durch und durch verdorbener, gewalttätiger, pöbelnder und vor allem sehr exhibitionistisch veranlagter Charakter. Ja, wir müssen zugeben: da bleibt uns das Lachen im Halse stecken. Soetwas in unserer Stadt? Oder eben doch nur – Satire?

Leider nein – wir werden mit jedem Klick nachdenklicher. Sicher, das, was wir hier lesen, ereignet sich wohl tagtäglich in jeder besseren Großstadt. So alltäglich ist es wohl, dass die meisten größeren Medien sich gar nicht dazu herablassen würden, den Opfern solcher Taten Raum für auch nur eine kleine Meldung in der „Blaulicht“-Spalte zu lassen. Aber deshalb Satire darüber machen, immer und immer wieder?

Grenzen verschwimmen

Wir schaffen es gar nicht, weiter zu lesen, beenden unseren Arbeitstag vorzeitig und sehr aufgewühlt, schlendern an den Rhein und glauben, die Antwort lautet auf beiden Seiten des Satire-Grats: so oder so, es ist vieles nicht mehr lustig.

Jetz‘ ma‘ ohne Scheiß: was ist los mit dieser Welt? Ein wenig mehr Anstand und Moral würden guttun – allen voran, aber nicht nur, Herrn Mann.

Bildquelle Beitragsbild: Screenshots Merkurist.de